DIGITAL INSIGHTS
Digitale Barrierefreiheit – welche rechtlichen Anforderungen kommen auf uns zu?
Barrierefreie Gestaltung von digitalen Produkten ist nicht mehr länger ein Zeichen des guten Willens, sondern wird ab Mitte 2025 für viele Unternehmen in der EU verpflichtend. Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass die Webseite oder der digitale Service WCAG-konform (AA) ist. Zudem müssen auch Drittanbieter-Softwarelösungen, die verwendet werden, barrierefrei sein. Dies gilt nicht nur für digitale Produkte und Services, die dann neu auf den Markt kommen, sondern auch für alle bereits bestehenden Angebote.
Was das nun genau im Detail bedeutet und welche Produkte und Services darin eingeschlossen sind, erläutern wir in diesem Blogartikel ausführlich. Außerdem geben wir einen Überblick über die verabschiedeten Gesetzesgrundlagen und was diese genau beinhalten.
TL;DR
Summary
rechtliche Anforderungen
Ab dem 28. Juni 2025 müssen digitale Produkte und Dienstleistungen in der EU WCAG-konform (AA) sein
Umsetzung der EU-Richtlinie zur Sicherstellung der digitalen Barrierefreiheit mit einer Übergangsfrist bis zum 27. Juni 2030 für bestimmte Dienstleistungen.
Nahezu alle digitalen Produkte sowie Dienstleistungen wie Webseiten, E-Commerce und Apps müssen barrierefrei gestaltet sein.
Unternehmen können mit Geldstrafen zwischen 10.000 und 100.000 Euro belangt werden
EINFÜHRUNG
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
Barrierefreiheit war nicht immer gesetzlich geregelt, schon gar nicht für digitale Produkte und Services. 2006 haben die Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen diskutiert und geregelt, welche Gewährleistungen der Staat für Menschen mit Behinderungen erbringen muss. Daraufhin wurde 2019 als Ergebnis verschiedener Initiativen des European Accessibilty Act als EU-Richtlinie 2019/882 verabschiedet. Ein daraufhin entwickelter Aktionsplan in Deutschland erbrachte als Resultat das Barrierefreiheitsgesetz. Dies wurde 2021 erlassen und wird am 28. Juni 2025 in Kraft treten. Mit dem Gesetz wird die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen sichergestellt.
Das Gesetz passt die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV), die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) und das Behindertengleichstellungsgesetz an die EU-Richtlinie an und enthält somit Informationen zu den Barrierefreiheitsanforderungen bei Produkten und Dienstleistungen inkl. Webseiten und Onlineshops.
Was bedeutet das BFSG in der Praxis?
Betroffen von dem Gesetz sind Produkte und Dienstleistungen, die nach dem 28. Juni 2025 auf den Markt gebracht oder geleistet werden. Besonderer Fokus liegt dabei auf digitalen Angeboten. Für alle anderen Produkte und Dienstleistungen gilt eine Übergangsfrist.
Dies bezieht sich dann tatsächlich auf (fast) alle Produkte, die durch einen Fertigungsprozess hergestellt werden. Ausnahmen gibt es zum Beispiel für Lebensmittel. Eingeschlossen hingegen sind: Computer, Geldautomaten oder auch E-Books. Unter Dienstleistungen fallen unter anderem Webseiten, E-Commerce, E-Tickets und mobile Anwendungen. Hier gilt zu beachten: Sobald eine Änderung beispielsweise auf einer Webseite vorgenommen wird, unterliegt die komplette Webseite direkt den Anforderungen des BFSG. Daher sind Händler, Hersteller, Importeure und auch Dienstleistungserbringer nun gleichermaßen gefragt.
Ausgenommen von der Regelung sind im Allgemeinen Kleinstunternehmer mit weniger als 10 Beschäftigten und einem maximalen Jahresumsatz von 2 Millionen Euro (bzw. einer Jahresbilanzsumme von 2 Millionen Euro). Bietet dieses Kleinstunternehmen allerdings Produkte an, die für das BFSG als relevant betrachtet werden, gilt auch hier u.U. keine Befreiung.
Auch wenn Produkte, die auf der Webseite angeboten werden, nicht unter das BFSG fallen, zählt die Webseite an sich als Dienstleistung und muss den Anforderungen entsprechen. Betroffen sind daher alle digitalen Dienstleistungen rund um Banking, Transport, Telekommunikation und E-Commerce. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur die Webseite an sich einen inklusiven Zugang bieten muss, sondern auch die Funktionen, die darauf zur Verfügung gestellt werden, wie Terminbuchungen vornehmen oder Hotelreservierungen tätigen.
Erforderliche Anpassungen an Webseiten
Die Erfüllung der AA-Kriterien wird zur Pflicht. Dies sind festgelegte Standards aus der Web Content Accessibility Guideline (WCAG) des World Wide Web Consortiums (W3C) für eine barrierefreie Gestaltung und Umsetzung von digitalen Produkten und Services. Hier sind Maßnahmen beschrieben, die den Zugang ermöglichen sollen, für Menschen mit den unterschiedlichsten Arten von Behinderungen oder Einschränkungen. Die Anforderungen sind unterteilt in die Bereiche Wahrnehmung, Verständlich, Bedienbar und Robust. Jeder Bereich enthält unterschiedliche Leistungen, die abgedeckt werden müssen. Dazu zählen zum Beispiel: Textalternativen für Bilder, eine klare, verständliche Sprache, ausreichend Kontrast oder auch anpassbare Schriftgrößen.
Im Allgemeinen ist davon die komplette Webseite betroffen. Ausnahmen sind Inhalte, die nach Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr aktualisiert werden und aufgezeichnete Audio- oder Videodokumente. Dabei ist aber zu beachten, dass sobald eine Änderung an der Webseite oder Online-Shop stattfindet, diese automatisch dem BSFG unterliegt.
Übergangsfrist und Ausnahmeregelungen
Eine Übergangsfrist von fünf Jahren (bis 27. Juni 2030) gilt für Dienstleistungen, die nur mit Produkten durchgeführt werden können, die auch unter das BFSG fallen. Das sind zum Beispiel Reparaturdienstleistungen. Außerdem dürfen nicht-barrierefreie Selbstnutzungsterminals bis zum Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer der Bevölkerung weiterhin zugänglich sein. Diese Frist darf allerdings maximal bis 2040 ausgedehnt werden.
Nicht dazu zählen allerdings Webseiten und Online-Shops, da die Nutzung nicht von der Barrierefreiheit der genutzten Hardware abhängt. Diese müssen ab dem 28. Juni 2025 konform des Standards AA sein. Dabei inbegriffen sind auch alle automatisch verfassten Bestätigungen, wie zum Beispiel die für Buchungen oder Reservierungen, die im Zusammenhang mit der Webseite oder dem Online-Shop digital verschickt werden.
Eine Ausnahme gilt allerdings für Webseiten, die ausschließlich zur Präsentation von Produkten und Dienstleistungen genutzt werden und keine direkte Terminbuchung bereitstellen. Diese Webseiten dürfen dann auch keine angebundene Funktion zur Verfügung stellen, wo ein Kauf oder eine Buchung gegen Entgelt möglich ist.
Grundsätzlich werden die Anforderungen im BFSG nur an Webseiten und Online-Shops adressiert, die ihre Zielgruppe im Bereich B2C haben. Es muss aber deutlich verständlich sein, dass man sich nur an B2B Kund:innen richtet.
Rechtliche Folgen bei Nichtbeachtung
Geplant ist ein Monitoring-System, das die Durchsetzung des BFSG unterstützt. Strafen können dann zwischen 10.000 und 100.000 Euro betragen. Unternehmen, die dem Gesetz nicht folgen, können auf vier unterschiedliche Weisen belangt werden:
Unlauterer Wettbewerb
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, ein Bestandteil des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, verlangt von Unternehmen, fair gegenüber Verbraucher:innen zu handeln und öffentlich-rechtliche Pflichten zu erfüllen. Bei Verstößen oder Ausnahmen können Verbraucherschutzverbände und andere Unternehmen, wie Konkurrenten, rechtliche Schritte einleiten.
Gewährleistungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches
Wenn Produkte, die reparierbar sind, nicht den BFSG-Anforderungen entsprechen, kann der Kunde das Produkt zurückgeben oder den Preis mindern. Somit gilt, wenn beispielsweise ein blinder Kunde aufgrund seiner Sehbehinderung das Produkt (zum Beispiel eine Webseite) nicht nutzen kann, ist da auch keine Reparatur möglich.
Verstoß gegen Informationspflichten
Bei einem Vertragsabschluss müssen die Interessen der anderen Vertragspartei berücksichtigt werden, insbesondere wenn ein:e Partner:in auf die Fachkenntnisse des anderen angewiesen ist. Es ist wichtig sicherzustellen, dass alle Informationen barrierefrei zugänglich sind. Fehler aufgrund von Barrieren können zu Schadensersatzansprüchen führen.
Klagen durch Verbraucher:innen und Verbände
Menschen mit Behinderungen können bei Verstößen gegen das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz die zuständige Behörde um Hilfe bitten. Wenn die Behörde ablehnt, können sie gerichtlich vorgehen oder bestimmte Verbände mit der Vertretung ihrer Interessen beauftragen. Das Verbandsklagengesetz ersetzt bald das Unterlassungsklagengesetz. Damit werden die Klagemöglichkeiten für Verbände, die im Interesse der Verbraucher handeln, erweitert und vereinfacht.
Vorbereitungen zeitnah treffen
Neue Gesetze sind für Unternehmen immer eine Herausforderung. Je nach Unternehmensgröße gibt es Verantwortliche, die sich bereits mit dem Thema auskennen oder man stößt auf fehlendes Wissen und Praxiserfahrung. Bis wann die Umsetzung von digitaler Barrierefreiheit erfolgen muss, ist nun mit dem BSFG klar geregelt und findet im Juni 2025 statt. Wir empfehlen daher schon jetzt, sich darum zu kümmern, dass die eigene Webseite, der Online-Shop oder auch die App barrierefrei wird. Mit uns hast du einen erfahrenen Partner an deiner Seite, der dich in den Bereichen User Experience, Visual Design und Engineering unterstützen kann.
Wir bei acb.studio sind Experten und Expertinnen im Bereich digitaler Nachhaltigkeit. Diese betrachten wir dabei auf allen drei Ebenen: ökologisch, ökonomisch und sozial. Barrierefreie Gestaltung ist uns deshalb eine Herzensangelegenheit. Produkte, die wir bereits entwickelt haben, werden daher bereits von Beginn an barrierefrei (z. B. Beeline Corporate Website) und CO₂-arm umgesetzt.
Let's talk
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David Pinzauti
Strategist bei acb.studio
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